In früheren Zeiten war eine wohlhabende Witwe die Besitzerin des „Gasthofes zum Erbgericht“ in Brand. Ihre ganze Liebe galt ihrer siebenjährigen Tochter. Als besonderes Weihnachtsgeschenk kaufte die Witwe ihrer Tochter eine lebensgroße Puppe. Aber die Tochter freute sich nicht über das Geschenk und spielte auch in den Tagen nach Weihnachten nicht mit dieser Puppe. Plötzlich erkrankte das Mädchen an Scharlach und starb noch während der Zwölf Unter Nächte.
Die Mutter war sehr traurig darüber. Als Ersatz für ihre Tochter nahm sie die Puppe zur Hand, kleidete die Puppe mit den vorhandenen Kleidern, setzte sie neben sich an den Tisch, servierte der Puppe Speisen und Getränke und sprach mit ihr wie früher mit ihrer Tochter. Eine Magd musste die Puppe täglich aus- und anziehen und allabendlich ins Bett legen. Und plötzlich starb die Mutter. Seltsame Gerüchte über ihren Tod entstanden und wurden in der Stadt erzählt.
Kurz nach dem Begräbnis der Mutter wurde die Puppe lebendig. Sie stand nachts auf, suchte ihre Kleider und lief im Haus umher, sodass die Bewohner des Hauses nicht wagten, die Flure entlangzugehen. Wenn zum Wochenende ein Tanzvergnügen stattfand, trippelte die Puppe den Burschen hinterher und folgte den Mädchen. Allmählich gewöhnten sich die Stadtbewohner an diese Erscheinung.
Aber eines Tages wollte der neue Wirt diesem Spuk ein Ende bereiten. Er beauftragte eine alte Frau, die in einem halbverfallenen Hause in St. Michaelis wohnte, damit den Zauber der Puppe zu brechen. Sie sprach eine Beschwörungsformel, aber die Puppe wurde umso lebendiger. Kurze Zeit später verstarb aber auch die alte Frau unter rätselhaften Umständen.
Daraufhin wandte sich der Wirt an den Ortspfarrer in Erbisdorf, damit dieser den Zauber der Puppe brechen möge. Doch auch nach einer Beschwörung mit lateinischen Gebeten durch den Pfarrer tanzte die Puppe weiterhin spottend durch die Stadt.
Schließlich wurde ein Tagelöhner damit beauftragt, die Puppe auf einem Schubkarren in den Spitalwald zu bringen und zu begraben. Während eines Gewitters vergrub der Tagelöhner die Puppe unter einer Birke. Doch auf dem Heimweg überholte ihn die Puppe wieder. Der Tagelöhner jedoch erschrak fürchterlich, bekam Fieber und verstarb nach drei Tagen.
Seit jener Zeit hat man von der gespenstischen Puppe nicht mehr viel vernommen. Als jedoch das Erbgericht neu aufgebaut wurde, wollen die Bauleute eine Puppe gesehen haben, die quicklebendig auf den halbvollendeten Mauern herumsprang.